ADAC-Langstreckenfahrt für kompressorlose Tourenwagen
über 8 Stunden
29. September 1929
Der schwierigste Kurs des Nürburgrings: die Steilstrecke!
Bericht: Burkhard Köhr
Nord- und Südschleife mit der Streckenvariante Steilstrecke
Streckenlänge: 27,325
Am 29. September 1929 wurde die zweite motorsportliche Veranstaltung unter
Einbeziehung der Steilstrecke auf dem Nürburgring ausgetragen. Die
"forcierte Langstreckenfahrt über 8 Stunden für Tourenwagen" sollte ursprünglich
am 25. August 1929 durchgeführt werden. Im Vorfeld warb der ADAC und die
Nürburgring GmbH damit, dass die Langstreckenfahrt über den schwierigsten Kurs
des Nürburg-Rings, über die 27prozentige Steilstrecke, führte.
Bei
der ADAC-Langstreckenfahrt für kompressorlose Tourenwagen stellten serienmäßige
Wagen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis. Es sollte die Zuverlässigkeit und
Gebrauchsfähigkeit der Wagen geprüft werden. Es gab vier Wertungsgruppen bei denen nach offenen und geschlossenen Wagen
unterschieden wurde:
Wertungsgruppe der geschlossenen Wagen |
Gruppe |
Hubraum ccm |
Soll Ø-km/h |
Fahrzeit pro Runde Minuten |
Runden |
Kilometer |
IV |
3150 - 5250 |
62 |
27 |
18 |
491,850 |
III |
2100 - 3150 |
58 |
28 |
17 |
464,525 |
II |
1155 - 2100 |
52 |
32 |
16 |
437,200 |
I |
bis 1155 |
48 |
34 |
14 |
382,550 |
Wertungsgruppe der offenen Wagen |
Gruppe |
Hubraum ccm |
Soll Ø-km/h |
Fahrzeit pro Runde Minuten |
Runden |
Kilometer |
IV |
3150 - 5250 |
64 |
26 |
19 |
519,175 |
III |
2100 - 3150 |
60 |
27 |
18 |
491,850 |
II |
1155 - 2100 |
54 |
30 |
16 |
437,200 |
I |
bis 1155 |
50 |
33 |
15 |
409,875 |
Welche Bedeutung die Langstreckenfahrt bei der Automobilindustrie hatte machte die Anzahl der Nennungen deutlich:
Fabrikat |
Anzahl |
Fabrikat |
Anzahl |
Fabrikat |
Anzahl |
Adler |
3 |
Dixi |
1 |
Metallurgique |
1 |
Austro-Daimler |
1 |
DKW |
4 |
Nash |
2 |
BMW |
3 |
Essex |
1 |
NSU |
3 |
Brennabor |
1 |
Ford |
6 |
Opel |
1 |
Buick |
1 |
Fiat |
1 |
Röhr |
4 |
Bugatti |
1 |
Graham-Paige |
1 |
Simson-Supra |
3 |
Cadillac |
1 |
Hanomag |
3 |
Steyr |
3 |
Chevrolet |
1 |
Imperia |
4 |
Stoewer |
7 |
Chrysler |
2 |
Lancia |
2 |
Tatra |
4 |
Citroen |
1 |
Mannesmann |
1 |
Wanderer |
2 |
Chenard-Walker |
1 |
Mercedes-Benz |
4 |
|
|
Im offiziellen Programm wurden den Zuschauern Hinweise zum
Besuch der Steilstrecke gegeben. "Wie komme ich zur Steilstrecke?" Die
Zuschauern hatten am Sonntag die Möglichkeit bis 9 Uhr vormittags mit ihrem
eigenen Wagen über die Rennstrecke bis zum Karussell zu fahren. Das Karussell
diente als Parkplatz. Es wurde mit ausreichender Verpflegung geworben. Wer
seinen Wagen am Karussell abgestellt hatte, konnte während der Veranstaltung den
Wagen nicht weiter nutzen. Der Feldweg nach Herschbroich war gesperrt, da er als
zu gefährlich eingestuft wurde. Als weitere Tipps zum Besuch der Steilstrecke
wurden zwei Fußwegvarianten genannt:
1. Parkplatz am Bergwerk und Fußmarsch links an der Strecke entlang bis zur
Unterführung am Kesselchen und dann weiter rechts an der Rennstrecken entlang
bis zur Klostertalkurve. Der Fußweg wurde extra für die Veranstaltung neu
markiert.
2. Parkplatz Gasthaus "Hohe Acht" und von dort per Pedes zur Hedwigshöhe. Es
wurde darauf hingewiesen, dass der Weg nur schwer passierbar sei.
Für die Besucher der Steilstrecke wurden auf der rechten Seite
Sitzplätze erbaut. Aus Sicherheitsgründen wurde für diese Veranstaltung im Vorfeld
endlich auch die
linke Fahrbahnseite der Steilstrecke mit Betonplatten ausgebaut.
Als
Preis wurde die "Große goldene ADAC-Medaille" für strafpunktfreie Fahrer
vergeben. 78 Nennungen lagen vor. Am Samstag vor der Langstreckenfahrt wurden 68
Fahrzeuge technisch abgenommen. Auch der Dixi war durch die technische Abnahme
gekommen, nachdem er bei den Trainingsfahrten am Samstag die Steilstrecke im
Rückwärtsgang bezwungen hatte. Am Sonntag warteten die Zuschauer leider
vergeblich auf den Wagen. Er fehlte in der Startaufstellung. Überschattet wurde
das Training von dem tödlichen Unfall von Wilhelm Heine (BMW, Startnummer 70)
auf der Steilstrecke. Die Langstreckenfahrt war für Wilhelm Heine nach einer
langjährigen Pause im Motorsport die erste Veranstaltung. In der ersten
Trainingsrunde schaffte Wilhelm Heine mit seinem BMW die Steilstrecke nicht,
rollte rückwärts und überschlug sich. Wilhelm Heine blieb unverletzt, aber die
Frontscheibe wurde komplett zerstört und das Lenkrad war gebrochen. Trotz aller
Warnungen ging Wilhelm Heine nach diesem Unfall erneut auf die Strecke. Der BMW
konnte die Steilstrecke erneut nicht bewältigen, rollte rückwärts und überschlug
sich mehrmals. Wilhelm Heine kroch unter dem Wrack hervor und richtete den BMW
selbst auf. Unmittelbar darauf kippte er um und verstarb an der Unfallstelle.
Ein weiterer Unfall auf der Steilstrecke verlief glimpflich. Ein Imperia aus der
ersten Wertungsgruppe bewältigte die Steilstrecke nicht und rollte in hohem
Tempo die Steilstrecke hinter unter. Der Fahrer versuchte den Wagen nicht
rückartig abzubremsen und landete in der Böschung am Fuße der Steilstrecke. Der
Wagen wurde so stark beschädigt, dass er nicht mehr an der Langstreckenfahrt
teilnehmen konnte.
Willy Walb (Mercedes-Benz) verunglückte ebenfalls im Training bei einem
Überholmanöver. Trotz vorausgegangenem Signal, um das Überholmanöver
anzukündigen, zog der Wettbewerber Georg Hentschel (Ford) plötzlich nach links.
Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, lenkte Willy Walb seinen Wagen in den
Graben. Der Wagen überschlug sich zweimal. Willy Walb kam mit Quetschungen und
Hautabschürfungen davon, sein Beifahrer erlitt Rippen und Nierenquetschungen.
Als Verursacher des Unfalls wurde Georg Hentschel disqualifiziert und nicht zum
Start zugelassen.
Am
Sonntag stellten sich 60 Fahrer und Fahrzeuge der Härteprüfung auf dem
Gesamtring mit der Steilstrecke. Die Fahrerliste ließ Vergleiche zu einem
bedeutsamen Rennen zu. Unter anderem starteten Rudolf Caracciola, Christian
Werner, Otto Merz, Josef Müller, Buthenuth und Paul von Guilleaume.
Die Langstreckenfahrt startete um 10:00 Uhr bei sonnigem
Eifelwetter. Ein paar tausend Zuschauer hatten sich bei Start und Ziel
eingefunden. Ansonsten blieb der Gesamtring leer. Mit einer Ausnahme: die
Steilstrecke. An der Steilstrecke standen die Zuschauer rechts und links der
Rennstrecke bzw. saßen auf den extra aufgebauten Bänken. Die Bezwingung der
Steilstrecke wollten viele Zuschauer live erleben. Und dies trotz des hohen
Eintrittgeldes für den Streckenabschnitt Steilstrecke. Die Nürburgring GmbH
hatte für diesen Streckenabschnitt ein erhöhtes Eintrittsgeld (10 Mark)
verlangt. Und was an der Steilstrecke geboten wurde, war auch das Eintrittsgeld
wert.
Wie notwendig der Ausbau der Steilstrecke auf die doppelte
Fahrbahnbreite für diese Veranstaltung war, wurde im Verlaufe der Veranstaltung
deutlich. Teilweise waren 10 Wagen gleichzeitig auf der Steilstrecke und dies
mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Durch den Ausbau der Steilstrecke war
dort ein Überholen erst möglich geworden. Schon in der ersten Runde schied ein
Opel und ein DKW aus, weil sie die Steilstrecke nicht meisterten. Obwohl die
Fahrer das Gaspedal mit Gewichten beschwerten und die Wagen schoben. Mehr Glück
hatte Willi Kriegsmann mit seinem BMW (Startnummer 69) aus der ersten
Wertungsgruppe (bis 1155 ccm Hubraum). Auch er klemmte das Gaspedal fest, stieg
aus und schob den Wagen über die Steilstrecke. Aus den Unfällen im Training am
Samstag hatte der Veranstalter gelernt. Um ein Abrutschen der Wagen zu
verhindern, waren zwei Streckenposten mit Bremsklötzen ausgerüstet, die im
Notfall hinter die Wagen geschoben wurden. In der Wertungsgruppe I hervorzuheben
waren die Hanomags. Obwohl mit 2 Personen besetzt, schafften sie die
Steilstrecke. Das Erfolgsrezept war eine extra für die Langstreckenfahrt
gewählte niedrige Übersetzung. Bei den Werksteams erhielt das Adler-Team
Strafpunkte, da Dr. Heinz Risse (Startnummer 37) mit seinem Wagen stürzte. Dr.
Heinz Risse blieb unverletzt.
Die Steilstrecke sorgte für die meisten Ausfälle. Wilhelm
Scheling (Startnummer 44) stellte seinen Lancia mit Kerzendefekt am Fuße der
Steilstrecke ab. Jack Simons (Startnummer 56) schied mit Getriebeschaden auf der
Steilstrecke aus. Und Arthur Otto (Opel) wie auch Hans Guggenheim (DKW)
bewältigten die Steilstrecke nicht und gaben auf.
Nach vier Runden hatten zwei Fahrzeuge Strafpunkte eingefahren, nach acht
Runden stieg die Zahl auf sieben und nach 16 Runden waren acht Fahrzeuge mit
Strafpunkten belegt. Neun Wagen schieden aus.
Ergebnisse - Goldene Medaille
Gruppe IV 3150 - 5250 ccm Hubraum |
Fahrer |
Fabrikat |
Rudolf Caracciola |
Mercedes-Benz |
Otto Merz |
Mercedes-Benz |
Wilhelm Sebastian |
Mercedes-Benz |
A. Gikeleiter |
Stoewer |
Prinz Ferdinand von der Leyen |
Stoewer |
Otto Becker |
Stoewer |
Hermann Baldus |
Cadillac |
Otto Palm |
Nash |
Heinrich Langsdorf |
Buick |
Alex Petzold |
Ford |
Ernst Magnus |
Ford |
A.M. van der Meulen |
Ford |
Kurt Könnecker |
Chrysler |
Gruppe III 2100 - 3150 ccm Hubraum |
Fahrer |
Fabrikat |
Otto Fahrenkopf |
Stoewer |
Herbert Jurinek |
Stoewer |
Rudolf Ziehm |
Stoewer |
C. Deilmann |
Austro-Daimler |
Liliane R. Roehrs |
Adler |
Erwin Sander |
Adler |
Ernst Kotte |
Simson-Supra |
Otto Rueff |
Wanderer |
Max Mader |
Wanderer |
Wilhelm Greeve |
Lancia |
Carl von Guilleaume |
Chevrolet |
Karl Burkart |
Essex |
Gruppe II 1155 - 2100 ccm Hubraum |
Fahrer |
Fabrikat |
Josef Müller |
NSU |
Georg Klöble |
NSU |
Gottlieb Schrof jr. |
NSU |
Paul von Guilleaume |
Steyr |
Heinrich Graf Schönfeld |
Steyr |
Ladislaus Almassy |
Steyr |
Fritz Wolff |
Chenard-Walker |
Tilly Kotte |
Simson-Supra |
Gruppe I bis 1155 ccm Hubraum |
Fahrer |
Fabrikat |
H. Buthenuth |
Hanomag |
K. Haeberle |
Hanomag |
L. v. Raffay |
Hanomag |
Bilder von der Langstreckenfahrt, von denen viele an der Steilstrecke
gemacht wurden, können auf dieser Webseite nicht veröffentlicht werden, da die
Rechteinhaber nicht ausfindig gemacht werden konnten.
Quellen: Programmheft, Tageszeitung, AAZ, Motor und Sport
Veröffentlichung: 30. Dezember 2011
Letzte Aktualisierung: 9. Januar 2016
Copyright: Burkhard Köhr